Mehr als das Einhalten von Regeln

Bundesliga-Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck spricht auf Einladung des Sportvereins St. Blasien über Fair Play im Fußball.

Fair Play, wie geht das? Eine Frage, die sich nicht nur im Sport stellt. Für einen Vortrag zu dem Thema insbesondere in Hinblick auf den Fußball hatte der Sportverein St. Blasien den Bundesliga-Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck eingeladen. Er gewährte am Donnerstag Einblicke in seine Tätigkeit und beantwortete viele Fragen der Sportler aus der Region. Viele gelbe und rote Karten hatte die Fußballer des SV St. Blasien in der vergangenen Saison kassiert, für die Vereinsführung ein Grund, präventiv tätig zu werden, sagte der Vorsitzende Gerhard Kappenberger. Ihm war es gelungen, Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck, der seit 2020 Bundesligaspiele pfeift, für einen Vortrag über Fair-Play zu gewinnen.

Der Arzt aus Freiburg leitet im Jahr 15 bis 18 Spiele der Ersten Bundesliga, mehrere Spiele der Zweiten Liga und ist zudem als vierter Offizieller und Videoschiedsrichter tätig, sagte er im Gespräch mit der BZ.

Seinen Vortrag vor rund 150 Aktiven ab der D-Jugend des SV St. Blasien und von Nachbar- und Kooperationsvereinen sowie Schiedsrichtern aus der Region leitete Jöllenbeck mit der Frage ein, wer bereits eine gelbe oder rote Karte erhalten hatte. Viele Hände gingen in die Höhe.

Zur Definition des Fair Play führte der Schiedsrichter aus, dieses sei eine menschliche Haltung, die über die Einhaltung von Regeln hinausgehe, und bezog sich dabei auf ein Wort des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Die menschliche Handlung im Sinne des Fair Play zeichne sich durch Empathie, Wertschätzung und Respekt aus, so Jöllenbeck weiter.

In Bezug auf den Sport bedeute Fair Play also nicht nur die Anerkennung der Regeln (formelles Fair Play), sondern auch den partnerschaftlichen Umgang mit dem Gegner, keinen Sieg um jeden Preis und Haltung in Sieg und Niederlage (informelles Fair Play). Auf dem Platz sei der Respekt vor dem Gegner, dem Spiel, aber auch vor dem Schiedsrichter von großer Bedeutung.

Zur Rolle des Schiedsrichters auf dem Platz führte Jöllenbeck aus, dieser sei ein Teil des Spiels und leidenschaftlicher Sportler und Fachmann. Er müsse seine Entscheidungen sehr schnell, unter Druck, oft in unklaren Situationen und mit dem Wissen, dass die Entscheidungen von der Öffentlichkeit überprüft werden, treffen.

Wie viele Entscheidungen trifft ein Schiedsrichter im Laufe eines Spiels? Eine Frage, die Jöllenbeck an die Versammelten weitergab. Acht, 30, 125 und 500 lauteten die Antworten. Durchschnittlich seien es 220 Entscheidungen, fünf pro Minute, so Jöllenbeck. "Das ist schon fordernd". Und zwischen Aktion der Spielerinnen und Spieler und der Entscheidung liegen unter Umständen nur 0,4 Sekunden, zeigte er anhand eines Beispiels auf.

"Es ist manchmal verdammt schwierig, in kritischen Situationen die richtige Entscheidung zu finden", räumte er ein. Wichtig sei, losgelöst von Sympathien die Verantwortung zu übernehmen, Fair Play bedeute aus Sicht des Unparteiischen auch die sachliche Entscheidung unter Außerachtlassung von Sympathien. Einfühlungsvermögen, Fingerspitzengefühl und das Ziehen klarer Grenzen und das Einfordern von diesen seien extrem wichtig. Man müsse erkennen, wann Schluss sei und die Spieler wieder auf die sachliche Ebene zurückzubekommen. Das sei angesichts der oft hochkochenden Emotionen, nicht einfach.

Im Anschluss an den Vortrag gab es die Gelegenheit, dem erfahrenden Schiedsrichter Fragen zu stellen, eine Möglichkeit, von der die Spieler reichlich Gebrauch machten, wobei es in erster Linie um Situationen aus eigenen Spielen ging.

Der Sportverein hatte im Rahmen Veranstaltung um Spenden für die aus der Ukraine-Geflüchteten gebeten, 180 Euro kamen zusammen. Und der Verein stockte die Summe auf 250 Euro auf. Das Geld soll an Pfarrerin Lisa Rudzki (Organisatorin der Ukrainehilfe in der Region, wir berichteten), übergeben werden.

Bericht in der BZ vom 29.03.2022